Parlamentarismus in der Sackgasse

Der mutwillige Bruch der Großen Koalition

Das vor allem von Konservativen schon lange herbeigesehnte Ende der Koalition von SPD, Zentrum, DDP und DVP vertieft die Krise der Weimarer Republik.

Seit der Bildung des Kabinetts Müller im Juni 1928 hat das engere Umfeld von Reichspräsident Hindenburg systematisch auf einen Ausschluss der SPD aus der Regierung und auf die Beendigung der parlamentarischen Regierungsweise hingearbeitet. Nach dem Tod von Reichsaußenminister Stresemann im Herbst 1929 ist die von ihm bis dahin auf parlamentarischem Kurs gehaltene DVP deutlich nach rechts gerückt; wenige Wochen später hat der Reichsbankchef den Rücktritt des sozialdemokratischen Reichsfinanzministers erzwungen. Im März 1930 schließlich verweigern DVP, Zentrum und DDP die Zustimmung zu einer viertelprozentigen Erhöhung der Arbeitgeberbeiträge zur Arbeitslosenversicherung. Um die Versicherungsleistungen trotz der anschwellenden Massenarbeitslosigkeit aufrechterhalten und damit der zunehmenden Verelendung entgegenwirken zu können, wäre diese Erhöhung aber dringend nötig. Deshalb ist für die SPD nun endgültig das Ende der Kompromissbereitschaft erreicht: Gegen Müllers dringenden Rat führt die Partei den Bruch der Koalition herbei. Das nachfolgende Präsidialkabinett unter dem Zentrumspolitiker Heinrich Brüning kann nicht mehr auf der Basis einer parlamentarischen Mehrheit regieren, sondern nur noch mit Hilfe von Notverordnungen des Reichspräsidenten. (ah)